Insel im Wandel

mm-2014-01-08--DSC_0023Wir wollen nach Bilu Kyun, die die Einheimischen Menschenfresser-Insel nennen. Zur Verstärkung haben wir uns vor Ort einen Guide organisiert. Um 10 Uhr holt uns Mr. Nay ab und wir marschieren zur 15 Gehminuten entfernten Jetty der staatlichen Fähre von Mawlamyine in der Nähe der alten Lagerhäuser aus der Kolonialzeit. Die Überfahrt zur südlichen Seite der Insel dauert rund 45 Minuten. Wie schon bei der IWT auf dem Irrawaddy von Bahmo nach Katha gibt es zwei Klassen. mm-2014-01-08--P1080288Im Unterdeck auf Wasserhöhe breiten sich die Reisenden mit Sack und Pack auf Bambusmatten aus. Mittendrin wird gekocht, geratscht und die Einkäufe gegenseitig begutachtet. Das Mitteldeck ist schon bequemer und verfügt über einfache Holzbänke. Wir klopfen vorsichtig an die Tür zum Oberdeck. Der Kapitän ist ein Freund unseres Guides. Nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen haben, dürfen wir sein „Wohnzimmer“ betreten.

mm-2014-01-08--DSC_0057Auf der 16 mal 32 Kilometer großen Flussinsel gegenüber von Mawlamyine leben rund 200.000 Menschen der Volksgruppe der Mon in 78 Dörfern hauptsächlich vom Reisanbau, der Fischerei und zahlreichen traditionellen Handwerksberufen. Im Dorf Taung Suun ist wie fast überall auf der Insel die Zeit stehen geblieben. Hier leben die Menschen heute nicht anders wie Generationen vor ihnen. Einige haben lediglich das Fahrrad mit dem Moped oder den Ochsenkarren mit einem alten klapprigen LKW mit Holzauflieger aus kolonialen Zeiten getauscht.

mm-2014-01-08--DSC_0064Wir besuchen eine Werkstatt für Fußabtreter aus Kokosfasern. Khin Tha Zar zeigt uns, wie sie die Matten aus Seilstücken in einem Webrahmen anfertigt. Noch lebt sie hier mit ihrem Onkel U Nyut und den Großeltern. Die Eltern arbeiten in Thailand und unterstützen die Angehörigen monatlich mit Geld. Doch die Idylle trügt. Wie uns der Onkel freimütig berichtet, planen Investoren auf dem Areal einen oder mehrere Hotelkomplexe und kaufen bereits großflächig Land auf. Wenn der Preis stimmt, werde er natürlich auch verkaufen. In einem Jahr werde man diese Gegend jedenfalls nicht mehr wiedererkennen. Ihn und seinen Handwerksbetrieb werde es dann in dieser Form nicht mehr geben.

Amm-2014-01-08--P1080324uch im größten Ort der Insel ist der Wandel in Sicht. In Thaung U zeigt uns Mr. Nay am Ortseingang ein unscheinbares  Gebäude. Darin befindet sich ein 1972 aus Japan gelieferter Dieselgenerator zur Stromerzeugung. Seit drei Jahren ist er außer Betrieb, da der Kraftstoff zu teuer wurde. Kurzerhand hat man ihn durch einen Generator ersetzt, der durch Verfeuern von Reisstroh betrieben wird. Strom gibt es aber nur für vier Stunden am Abend von 18 bis 22 Uhr. Billig ist der Luxus aber immer noch nicht. Eine Einheit kostet auf der Insel 500 Kyat, während es in Mawlamyine 50 Kyat sind. Doch nichts bleibt wie es ist. Noch in diesem Jahr soll die elektrische Versorgung der Insel von einem 200 Meilen südlich gelegenen Erdgaskraftwerk in Tawei übernommen werden.

mm-2014-01-08--DSC_0080Im Dorf Yua-Lat besuchen wir einen Hersteller von Gummibändern. Kautschukplantagen gibt es zahlreich auf dem Eiland. Da liegt es nahe, einen Teil der Weiterverarbeitung direkt vor Ort anzusiedeln. In den aufbereiteten, gefärbten und verflüssigten Kautschuk werden Holzpflöcke getaucht und zum Trocknen in die Sonne gestellt. Dieser Vorgang wiederholt sich dreimal, bis die „Verhüterlis“ abgezogen und in einer Art Räucherkammer getrocknet werden. Dann können die Schläuche in dünne Ringe geschnitten werden, die dann von Hand vereinzelt werden müssen, da sie häufig zusammenkleben. Es folgt ein letzter Trockendurchgang in der Sonne. Fertig sind die echten Gummiringe.

mm-2014-01-08--P1080345Im Viertel Theinpine des Dorfes Ywalut haben sich mehrere Holzschnitzer angesiedelt. Ein besonderer ist U Mann Ngwe Wynn, der Pfeifen und Spazierstöcke herstellt. Neben Pfeifen mit Pagoden- und Tierköpfen hat er auch welche mit Lenin- und Obamakopf im Sortiment. Stolz zeigt er uns eine kleine Büste des russischen Revolutionärs, die als Vorbild diente. Den amerikanischen Präsidenten hat er wohl einem Foto nachempfunden. Auch die Spazierstöcke haben keine simplen Griffe. Sie sind wie Tiere, Vögel oder Schlangen geformt. Ein besonderer Clou ist ein Exemplar in Form eines nackten, langgestreckten Frauenkörpers.

Einige Häuser weiter geht es da schon prosaischer zu. Hier ähneln die Pfeifenköpfe klassischen Vorbildern aus den 1950er und 60er Jahren. Sie sind deutlich preiswerter als die Kunstwerke des kreativen Nachbarn. Ebenfalls erhältlich sind Holzkugelschreiber in  dazu passenden Schatullen, die von den beiden Frauen dieses Betriebes aus unterschiedlichen Hölzern gedrechselt werden.

mm-2014-01-08--DSC_0134Nach dem Mittagessen in einem kleinen Restaurant mit handgeschriebener Speisekarte fahren wir in das Dorf Nhee Mhout. Dort besichtigen wir eine Werkstatt für Bambushüte. Die Kopfbedeckungen werden mit einfachen Werkzeugen aus dem Naturstoff geschnitten.

mm-2014-01-08--DSC_0147Im Nachbardorf Kama-Mha wartet ein ganz besonderer Handwerker auf uns. Der landesweit einzige Hersteller von Schiefertafeln fertigt das Schulutensil samt Steingriffel noch genauso wie seit hunderten Jahren. Noch heute lernen viele Kinder in Burma das Schreiben mit Hilfe dieses klassischen Tablets.

mm-2014-01-08--DSC_0137Am Ortsausgang des Dorfes befindet sich eine Statue des Mon-Anführers Saya San, der hier einige Jahre verbracht hat, bevor er in die Shan-Staaten floh. Dort wurde er für seine Aktivitäten als Anführer eines nach ihm benannten Baueraufstandes Anfang der 1930er Jahre von den Briten festgenommen und hingerichtet. Ob er bald in den Zustand eines Nat erhoben wird, ließ sich nicht feststellen. Die Bedingungen eines gewaltsamen Todes und eine notwendige Popularität wären ja erfüllt.

Auf dem Weg zum nördlichen Jetty fahren wir durch weite Reisfelder, die gerade geerntet werden. Auf der ungeteerten Straße staubt die rote Erde gewaltig. Das wird sich bis zum Ende des Jahres noch ändern. Die Trasse wurde erst im letzten Jahr verbreitert und frisch aufgeschüttet. Jetzt werden die breiteren Brücken über Kanäle und Bäche gebaut. Bis zum Jahresende folgt dann die Teerauflage. mm-2014-01-08--DSC_0183Wir nötigen den Fahrer unseres Tuktuks mehrfach zum Halten, da sich auf der Fahrt durch die Reisfelder in der Abendsonne immer neue Fotomotive ergeben. Bei jedem Stopp erläutert unser Guide ausführlich die einzelnen Schritte der Reisernte und erklärt den Bauern, woher wir kommen und wo in Burma wir schon waren. Im Gegenzug übersetzt er uns ihre Reaktionen. Sie freuen sich sehr über das Interesse der Langnasen an ihrer Arbeit.

mm-2014-01-08--P1080422Im pittoresken Dorf Kaw Mu Poen halten wir ein letztes Mal. Keines der Häuser und Hütten auf Stelzen gleicht dem anderen. Sie scheinen in eine große Plantage aus Palmen und Bananenstauden eingebettet zu sein. Alles sieht sehr gepflegt aus. Fremde tauchen hier offensichtlich selten auf. So sind wir bald umringt von Kindern, die ihre Englischkenntnisse demonstrieren wollen und uns nach Herkunft, Namen und Länge des Aufenthalts in ihrem Land befragen. Eine ältere Frau erklärt, dass die Blätter der Palmen für die Dächer der Hütten gebraucht werden. Außerdem wird aus dem männlichen Kolben der Zuckerpalmen der Saft für den Palmwein gewonnen.

mm-2014-01-08--DSC_0202Die ältere Frau stellt sich uns als Privatlehrerin vor und lädt uns ein, auf einen Tee in ihr Haus zu kommen. Noch unentschlossen überzeugt uns unser Guide, das Angebot anzunehmen, da alles andere ein Affront wäre. Oben im Wohnzimmer sitzen wir auf einer Bambusmatte und bekommen Tee, Kaffee und einen kleinen Imbiss gereicht. Kichernd sitzen sechs Schüler um uns herum, unser Erscheinen hat soeben eine Unterrichtsstunde vorzeitig beendet. mm-2014-01-08--DSC_0214Nach und nach erscheinen die Schülerinnen für die nächste Stunde. Allzu lange können und wollen wir aber auch nicht bleiben, da wir noch bei Tageslicht über den Fluss setzen wollen. Mit dem Versprechen, ihr Angebot –  ein von ihr gekochtes Essen – im nächsten Jahr mit einem selbstgebackenen Kuchen zu ergänzen, verbschieden wir uns von  Ma Aye Aye Myat.

Das letzte Dorf an der Nordspitze der Insel wird nur von Hindus bewohnt. Wir fahren direkt weiter zum Kyan Tharyar Jetty und nehmen ein kleines Boot, das keine 10 Minuten bis zum Ramanya Jetty von Mawlamyine benötigt. mm-2014-01-08--P1080441Als wir in Richtung Hotel gehen, versinkt hinter uns die Sonne über der Insel Bilu Kyun.

Guide:
Mr.Nay @ Ko Nay Lin
Tel. 09-255739057

Unterkunft:
Cinderella Hotel
21, Baho Road, Mawlamyine, Myanmar

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