Fünf Uhr morgens. Die Marimba Klänge meines Hadys trommeln uns hartnäckig aus den harten Betten. Neuer Rekord. Innerhalb von dreißig Minuten sind wir geduscht und angezogen und stehen mit unseren gepackten Rucksäcken in der Lobby. Khánh wartet schon. Stolz verkündet er, dass er bereits seit vier Uhr auf den Beinen ist. Je früher wir die Händler des Schwimmenden Markts von Cai Rang erreichen, umso besser. Vor zwölf Jahren sind wir unweit des Hotels mit einem Zubringerboot gestartet. Heute bringt uns unser Fahrer direkt an den Pier im Zentrum des Geschehens, wo bereits ein kleines Boot auf uns wartet
Die ersten Touristenboote sind schon eingetroffen und auch die Marktleute haben Maßnahmen getroffen, um zu zeigen, was sie zu bieten haben. Verkaufen sie Ananas, baumelt eine solche an einer langen Stange vorne am Bug. Sind es Rettiche, Kürbisse oder Zwiebeln, geben ein oder zwei Prachtexemplare dieser Gemüse den Hinweis.
Um möglichst früh ins Marktgeschehen eintauchen zu können, haben wir uns das Frühstück gespart. Wir haben hier ja jetzt genug Möglichkeiten. Unsere Bootsführerin manövriert uns geschickt längsseits einer Ananas-Verkäuferin, die die erntefrischen Früchte gleich schält und mit etwas Chilipulver auf einem Tablett zu uns heruntereicht.
Die kleinen Versorgungsschiffe von damals, die zwischen den Booten pendelten und Kaffee oder andere Getränke anboten, können wir leider nicht entdecken. Macht nichts.
Wir biegen kurzerhand in einen Seitenarm und besuchen eine kleine Manufaktur für Reisnudeln. Dort wird nicht nur die Herstellung der bunt eingefärbten Teigwaren demonstriert, sie kann gleich vor Ort in frittierter Form probiert werden. Uns reicht eine Kostprobe und wir bestellen kurzerhand frisch gebrühten Kaffee dazu.
Dann geht es auch schon weiter und wir schippern fast zwei Stunden kreuz und quer durch die Khlongs entlang des Sông Cần Thơ, wechseln von breiten in schmalere Kanäle und erhalten so einen kleinen Einblick in das Leben der Menschen hier am Fluss.
Viel verändert hat sich nicht seit unserem letzten Besuch. Nur der Plastikmüll im Wasser und zwischen den Mangroven scheint zugenommen zu haben und verheddert sich gelegentlich auch in der Schiffsschraube unseres Bootes. Zum Glück liegt die vietnamesische Allzweckwaffe für alle Gelegenheiten im Werkzeugkasten. Mit einer kräftigen Schere ist das Problem schnell gelöst.
Zurück am Ausgangspunkt unserer Bootsfahrt besuchen wir noch eine Manufaktur für Kokos-Bonbons, trinken nochmal einen Kaffee und fahren auch schnell weiter Richtung Norden zum am Mekong gelegenen Städtchen Sa Đéc, um uns auf die Suche nach Spuren der französischen Kolonialarchitektur zu machen.
Eines der alten Häuser befindet sich unweit des Marktes am Flussufer. Das „Nhà cổ Huỳnh Thuỷ Lê“ in der Đường Nguyễn Huệ 255A wurde als Kulisse für die Verfilmung von Marguerite Duras Roman „Der Liebhaber“ von Jean-Jacques Annaud berühmt.
Es ist das einzige dieser architektonischen Überbleibsel dieser Zeit, das auch besichtigt werden können. Andere kann man vereinzelt an der Straße entlang des Mekong ninter Zäunen und Hecken versteckt entdecken, aber nicht betreten.
Ganz ohne Tempel und Pagoden geht es natürlich auch heute nicht und wir besuchen den chinesischen Tempel Kiến An Cung (Chùa Ông Quách) , der ein verwaist am Wegesrand liegt und wenig von den Touristenströmen profitiert, die nach den Spuren der französischen Dichterin den Ort forschen.
Auch den Cao Dai Tempels von Sa Đéc können wir ungestört besichtigen. Die Gebets Kissen in der großen Tempelhalle liegen unberührt unter dem „Auge der Vorsehung“.
Die Religion des Cao Dai vereint Buddhismus, Christentum, Taoismus und Konfuzianismus, ihre Anhänger verehren Cao Dai Tien Ong Dai Bo Tat Ma Ha Tat , was übersetzt „Der Hohe Gott, der alte Unsterbliche und der große Bodhisattva“ bedeutet. Er ist ihr einziger Gott und repräsentiert die immateriellen männlichen (Yang) Aspekte des daoistischen Yin und Yang. Diese Religion will Toleranz zwischen den Religionen lehren und nicht bekehren. Sie will alle Glaubensrichtungen in dem Verständnis vereinen, dass sie auf demselben Prinzip beruhen.
Das zeigt sich auch in der Gemäldekopie am Eingang des Tepels, der die Drei Heiligen des Cao Dai zeigt. Den vietnamesischen Dichter Nguyen Binh Khiem (1492-1587), den Gründer der ersten chinesischen Republik Sun-Yat-Sen (1866-1925), sowie den französischen Dichter Victor Hugo (1802-1885). Letzterer wird von den Anhängern Cao Dais als geistiger Führer angesehen, da Gerechtigkeit, religiöse Toleranz und Unterstützung der Unterdrückten im Mittelpunkt seiner Werke stehen. Mit den Worten Göttlichkeit und Menschlichkeit (Dieu et Humanité), Liebe und Gerechtigkeit (Amour et Justice) weist die Trias den Gläubigen den Weg.
Wir beenden unsere Tour durchs Mekong-Delta mit einem kurzen Streifzug durch die Gärtnereien der Blumenstadt Sa Đéc, wo gerade termingerecht die Blütenpracht für die bevorstehenden Feiertage des vietnamesischen Neujahrsfests „Tết Nguyên Đán“ gezüchtet wird.
Unterkunft:
Vilion Hotel & Spa
43 Đ. Lê Anh Xuân,
Phường Bến Thành, Quận 1,
Hồ Chí Minh, Vietnam