Soviel Auswahl war selten in den letzten Tagen bei der Alternative zum asiatisch-typischen Suppen-Frühstück. Die Variationen der Füllungen fürs Baguette in dem Café ums Eck sind überwältigend, dazu Kaffee und frisch gepresste Säfte. Den beiden jungen Österreichern am Nebentisch hat die europäisch geprägte Variante ebenfalls gut geschmeckt.
Sofort beginnt der rege Austausch von Tipps und Informationen zum Reisen jenseits der organisierten Gruppenreisen der Rollkoffer-Fraktion. Ja, wir sind wieder in einem Eck gestrandet, das sich auf die Backpacker aus dem Westen gut eingerichtet hat. Sarah und Armin sind der beste Beweis, dass diese Art des Reisens auch in der nächsten Generation angekommen ist und wertgeschätzt wird.
Kleines Intermezzo: Ein Schuhputzer bietet seine Dienste an. Für meine etwas ausgelatschten Trekking Schuhe ist es eigentlich längst zu spät: Aber er insistiert so lange, bis ich ihn einfach mal machen lasse. Und für knapp 2 Euro (50.000 Dong bringt er die altgedienten, reiseerprobten Treter tatsächlich zum Glänzen.
Auch unsere Muskulatur verträgt es, etwas aufpoliert zu werden. Gleich neben unserem Quartier bietet sich die Gelegenheit, für 250.000 Dong (9,45 Euro) eine Stunde eine klassische vietnamesische Massage zu buchen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und wir steigen die Treppen des Hotels in den SPA-Bereich in den Keller hinunter.
„Are you a group?“ Nein, wir sind nur zu zweit und können keine weitere Kundschaft vermitteln. Wir sind die einzigen. Dankbar machen sich die beiden Masseusen ans Werk. Erst wird auf dem Bauch liegend, der Rücken gut mit Öl durchgeknetet. Dann folgen Beine und Füße. Schließlich sind in Rückenlage, Arme und noch mal beide Beine dran. Eine Wohltat nach den langen Autofahrten der letzten Tage.
Die grob verputzte schwarze Decke verschwimmt vor meinen Augen zu einer zerklüfteten Gebirgslandschaft. Ich schließe die Augen, und zusammen mit den Kunstpflanzen, die von einem dünnen Wasserrohr baumeln, entsteht das Bild einer grün überwucherten Hügellandschaft – fast wie im Auenland. Ein heißes Tuch holt mich in die Wirklichkeit zurück. Die Öl Rückstände werden erst mit heißen, dann kalten Tüchern gereinigt. Dann sind wir auch schon fertig. Das hat mal wieder richtig gut getan.
Schnell noch die Wäsche aus der Reinigung aufs Zimmer gebracht, dann sind wir bereit für einen kleinen Stadtspaziergang. Der Weg führt uns zunächst wieder zur Kathedrale. Wir wollen herausfinden, was hier heute Abend auf dem Programm steht. Im Kirchenschiff posen, trotz Verbots, einige Einheimische vor dem Altar. Dabei hat man außerhalb extra einen speziellen weihnachtlichen Selfie-Spot für die selbstverliebten Fotowütigen aufgestellt.
Für einen kleinen Nachmittags-Snack besuchen wir das spanische Restaurant Capos neben der Kathedrale. Die Tapas schmecken so gut, dass wir gleich eine Reservierung für den späteren Abend machen. Sicher ist sicher. Allzu oft war es schwierig, an Heiligabend noch etwas Besonderes fürs Essen zu finden. Das ist heute anderes. Außerdem ist ein spezielles Weihnachts-Degustationsmenü angekündigt, das sich äußerst vielversprechend anhört…
Gegen halb acht machen wir uns erneut auf dem Weg zur Sankt Josef Kathedrale und hoffen auf gute Sicht auf die für den Abend abgekündigte Show. Der Platz ist bereits voller Menschen. Da scheint kein Durchkommen. Ob es die pure Imagination der Möglichkeit ist, schwer zu sagen, An der Seite tut sich plötzlich ein Durchgang auf. Am Tor steht eine sehr offiziell aussehende Person. Wir schauen uns in die Augen, er winkt, deutet mir, deutet uns, ihm zu folgen.
Unglaublich: wir erhalten einen Platz direkt hinter den Honoratioren der Gemeinde. Nach dem Tanz der Schneeflocken hält der Erzbischof eine kleine Ansprache, die wie alles andere auch, inklusive kurzer Filmeinspieler auf zwei Großbildwände übertragen wird, damit die Menschen ohne gute Sicht auf die Bühne auch alles mitbekommen.
Es folgen zahlreiche Darbietungen, getanzt und gesungen von älteren und jüngeren Gemeindemitgliedern. Die Veranstaltung scheint schon fast zu Ende, da flimmern plötzlich Bilder von Krieg, Zerstörung und Umweltkatastrophen über die Leinwände.
Kurzes Innehalten, dann füllt sich die Bühne vor dem Kirchenportal erneut. Ein Kinderchor tritt auf und singt von Frieden und Hoffnung. Die Lichtregie färbt das Portal erst blau, dann rot, bis es schließlich in hellem, freundlichem Licht erstrahlt. Noch einmal folgt eine Tanzdarbietung der großflächig beflügelten Tänzerinnen von gestern.
Auftritt eines Sängers, der fatal an eine lokaleVersion von Roland Kaiser erinnert und inbrünstig ein schnulziges Weihnachtslied trällert. Nach einem Lied ist Schluss und mit „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum“ haben zwei Chöre einen weiteren Auftritt. Gesungen wird natürlich auf Vietnamesisch.
„Pom porompom pom pom… Gloria in excelsis Deo“, nach diesem a cappella, entert eine mutmaßlich hierzulande bekannte Schlagersängerin mit einer weiteren weihnachtlichen Schnulze die Bühne.
Sie macht nach ihrem Beitrag nicht gleich Schluss, sondern nimmt noch schnell als Zugabe ein Bad in der Menge. Damit neigt sich die Veranstaltung langsam dem Ende entgegen und wir gehen schnell zum spanischen Restaurant nebenan, um unsere reservierten Plätze einzunehmen.
Um es kurz zu machen. Auch dieses Mal hatten wir wieder den richtigen Riecher. Wir hatten es ja am Nachmittag schon ein wenig ausprobiert. Nach Tim’s Sapa kitchen vor ein paar Tagen ist es unser zweiter Ausflug in die gehobene Gastronomie auf dieser Reise. Für mich war es auch eine Premiere. Das mehrgängige weihnachtliche Degustationsmenü hat auch eine frische Auster auf der Karte. Die wird raffiniert mit Weißwein, Basilikum und Limette serviert.
Bemerkenswert sind außerdem die Piementos Rellenos, eine mit trocken gereiftem Rindfleisch gefüllte Paprika. Die Nachspeise lassen wir heute aus, einen baskischen Käsekuchen hatten wir bereits nachmittags verkostet.
Es ist mittlerweile nach Zehn, die Küche, um die die Gäste an einer langen Bar herum platziert sind, ist für heute mit ihrer Arbeit am Ende. Zeit genug für Restaurantchef und Koch Bryan D. Ceron Serrano, sich für einen kurzen Plausch zu uns zu setzen. Der Ecuadorianer erzählt uns von seinen Erfahrungen in der lateinamerikanischen und spanischen Küche. Gelernt hat der leidenschaftliche Koch sein Handwerk freilich in Spanien, wo er auch seine Frau Rocio kennen- und lieben lernte.
Reich beschenkt von den Eindrücken dieses Tages geht’s dann schnell zurück in unser Quartier. Morgen müssen wir mal wieder früher raus, die nächste Reisetappe ist angesagt.
Die zwei Silverpacker Cosy und Claus ünschen allen Mitlesenden erholsame und friedliche Weihnachtstage!
Unterkunft:
AN House Hanoi – Ngõ Huyện
46 Ng. Huyện
Hàng Trống, Hoàn Kiếm
Hà Nội 000084, Vietnam
RestaurantTipp:
Capos
12 – 14 P. Ấu Triệu,
Hàng Trống, Hoàn Kiếm,
Hà Nội