Treppauf, treppab…

Erinnert irgendwie an Honig. Das roch schon gestern so, als wir den Wassergraben von Angkor Wat entlang gefahren waren. Es ist eine von vielen Erinnerungen an diesem Tag, der mit dem obligatorischen Check des QR-Codes unseres Tempelpass beginnt. Und schon schnurrt das Tuk-Tuk wieder brav an Reisfeldern vorbei zum ersten Ziel unserer heutigen Tour, dem der Hindu-Gottheit geweihten Pre Rup. Nur wenige Touristen haben sich am Vormittag auf den Weg zu dem rund 25 Kilometer nordöstlich des Stadtzentrums von Siem Reap gelegenen Pyramidentempel gemacht. Keine gute Zeit für die Händler, die auf der anderen Straßenseite auf gute Geschäfte hoffen. „Same same, but different?“ Mit diesem Spruch versuchten früher die Postkartenverkäufer zu überzeugen. Heute haben sie schlechte Karten, weil jeder mit dem Handy selber Erinnerungen produziert. Alternativ werden Kühlschrankmagnete und T-Shirts verkauft.

„I can give you Discount. Ten Dollar.“ Der Straßenhändler mit den Büchern unterm Arm ist hartnäckig. Der offizielle Buchpreis ist hinten auf dem Buch aufgedruckt: 29,95 Euro kostet der „National Geographic Art Guide Angkor“ von Marilia Albanese aus dem Jahr 2006 normalerweise. Das Buch sieht nicht gebraucht aus, ist brandneu. Eine Fälschung? Der Verkäufer schüttelt heftig den Kopf. Er kauft seine Bücher bei einem Händler in der Stadt. Wie das bei dem Preis funktionieren soll, wenn auch er noch etwas verdienen will, ist mir schleierhaft – von einem Anteil für die Autorin, den Übersetzer und andere Beteiligte ganz zu schweigen. Ich habe da einen Verdacht. Wenn der Druck kostengünstig nach China verlegt wurde, was hindert die Druckerei dort, die Maschinen ein paar Extrarunden drehen zu lassen und den „Überschuss“ an dem Ort zu verkaufen, wo er nützlich ist.

Genug diskutiert, ich gebe auf und marschiere zum Tempel. Was jetzt kommt, erinnert an das Pyramidensteigen der Maya-Ruinen auf den beiden Reisen vor der Pandemie. Das Erstaunliche daran ist aber, dass beide, Pre Rup in Kambodscha und Chichén Itzá in Mexiko fast zeitgleichgebaut wurden, in der Zeit um das Jahr 1.000 unserer Zeitrechnung . Diese Gedanken und weitere mexikanischen Momente blitzen auf, als ich die Stufen der dreistufigen steilen Pyramide zur Plattform mit den fünf Prasat genannten Türmen hinaufsteige.

Anschließend fahren wir weiter zum 25 Kilometer nordöstlich gelegenen Banteay Srey Tempel. Auf der Fahrt überholen wir zahlreiche Kinder, die gerade zur Schule radeln. Für manche ist das Rad noch etwas groß, so dass sie im Stehen in die Pedale treten, mal sitzt vorne einer auf der Lenkstange, mal einer hinten auf dem Gepäckträger. Hier gibt’s offensichtlich keine Helikopter-Eltern, allenfalls Helikopter-Brüder.

Nach den Treppen der vorherigen Ruine wartet jetzt ein längerer Fußmarsch zu den drei Tempeltürmen im Zentrum der Anlage. Der Weg lohnt sich, die in Stein gemeißelten Ornamente in den Nischen und Türstürzen wirken fast wie geschnitzt. Bei den Besuchen in den vergangenen Jahren wimmelte es hier nur so von Touristen. Es sind jetzt zwar vergleichsweise wenige, aber im  Gegensatz zu gestern deutlich mehr Besucher, die sich für die zum Teil hervorragend restaurierten Ruinen interessieren.

Jetzt könnte ich eigentlich wieder zurück zum Parkplatz gehen, doch schon auf dem Hinweg hatten mich Gamelan-Klänge begleitet. Also noch ein paar Meter weiter auf die Rückseite der Anlage. Dort hat sich eine Gruppe Musiker niedergelassen. Die „Handicap Of Banteay Srey“ spielen traditionelle Musik zugunsten der Landminen-Opfer. Jetzt tauchen Bilder der Reisen nach Burma (Myanmar) vor mir auf, von Initiationsfeiern junger Mönche, Tempelfesten und Nat-Zeremonien.

Nach einem kurzen Plausch mit einem Uniformierten der Tourismus-Polizei mache ich mich af den Rückweg zum Tuk-Tuk. Auf der Fahrt  zurück zum inneren Bereich  des Archäologischen Parks von Angkor braucht es dann aber noch einen kurzen Zwischenstopp. Einige Garküchen am Straßenrand hatten mich schon auf der Hinfahrt neugierig gemacht. Flachgeklopfte Hühner zwischen Bambusstecken kannte ich ja schon, aber ganze Schweine in ähnlicher Formatierung? Offensichtlich funktioniert’s. Ohne Probieren geht natürlich nichts. Auf dem Grill brutzeln auch lange Bratwürste. Die schmecken interessant, sind nicht nur gut gewürzt, sondern offenbar mit Früchten versetzt. Ich meine Ananas oder Mango herauszuschmecken.

Nach dieser ungeplanten Zwischenmahlzeit fahren wir zum Östlichen Mebon. Hier heißt es wieder Treppensteigen, um auf die oberste der vier Ebenen der Tempelruine zu gelangen. Die zweite Ebene umrunde ich brav im Uhrzeigersinn, um alle vier an den Ecken aufgestellten, lebensgroßen Elefanten näher zu betrachten.

Nächste Station ist wieder ein Flachtempel. Der Ta Som sei eine „vereinfachte Miniaturversion“ des Ta-Prohm-Tempels, hat ein Wissenschaftler mal gesagt. Weite Teile der Anlage sind Ruinen, die noch immer teilweise überwuchert sind. Den Lara-Croft-Moment bietet der „kleine Bruder“ auch: Aus der Mitte des östlichen Gesichterturms am hinteren Ende der Anlage wächst eine gewaltige Würgefeige. Ist aber nur eine optische Täuschung. Von der ursprünglichen, die Steine zusammenhaltenden Feige ist nur noch das Wurzelwerk vorhanden.

Auch beim nächsten Stopp narrt die Optik. Aus dem künstlichen Wasserbecken vor dem Tempelturm von Neak Pean ragt der Kopf einer Steinschlange. Das erinnert im ersten Moment an das Ungeheuer von Loch Ness. Die trotz aller Bemühungen nicht sichtbare schottische Fantasiegestalt hat hier scheinbar einen steingewordenen Verwandten.

Um die steingewordenen Träume eines bayrischen Königs dreht sich dann alles bei einem Gespräch mit einem Mönch, dem wir auf dem Rückweg über den langen Steg durchs North Baray Wasser-Reservoir begegnen. Der 28jährige Phanna Sam war zwar in seinem Land noch nicht überall, hat von den Delfinen von Krati zwar gehört, war aber noch nie dort. Dafür hat er aber schon buddhistische Zentren in Paris, Frankfurt, Berlin, in der Schweiz und in Österreich besucht. Neugierig entlockt er uns Tipps für Sehenswertes rund um unsere Heimatstadt, das Buddhistische Zentrum München fehlt ihm noch in seiner Sammlung.

Letzte Station für heute ist die Tempelanlage von Preah Khan. Für den Weg hin und zurück durch den weitläufigen Flachtempel ist noch einmal eine gute halbe Stunde fällig. Auch hier sind wie schon zu Beginn des Tages nur wenige Touristen unterwegs, die sich – „Kopf einziehen“ – vorsichtig von Türsturz zu Türsturz durch die Kammern durch die Ruine bewegen. Unbeschadet bin ich gegen 16:30 Uhr wieder zurück auf dem Parkplatz und wir fahren zurück in die Stadt.

Die Geschichte der Sohle im Sand, der ich auf dem Rückweg von Preah Khan begegne, muss ein andermal erzählt werden. Nur so viel: Das sah fast so aus, als wäre hier ein Wanderer ungespitzt, Kopf voraus in den Boden geschlagen worden. Jetzt ist nur noch die Sohle seiner Sandale sichtbar. Der Rest muss erst noch freigelegt werden, ganz so wie die Ruinen im Archäologischen Park von Angkor.

Unterkunft:
Rei Kandoeng Angkor

Ta Poul areas
Old French Quarter
Siem Reap, Kambodscha

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