Morgens am Anleger treffen wir Eva. Sie ist im Guesthouse gleich nebenan untergekommen und bleibt noch einen Tag auf der Nachbarinsel Don Det. Wir wollen weiter, um im Mekong bei Kratie die Irrawaddy Delfine zu beobachten. Dazu müssen wir mal wieder über eine Grenze. Den Grenzübergang nach Kambodscha bei Nong Nok Khiene kennen wir schon. 2017 waren die Gebäude der Grenzstation an der kambodschanischen Seite gerade erst fertig gestellt und wenige Tage nach unserer Ausreise eröffnet worden. Damals mussten wir den Weg durch die Grenzanlagen in der prallen Mittagsonne zu Fuß zurücklegen. Das sollte jetzt schneller und bequemer gehen, wir haben schließlich Bustickets gekauft.
„Warten ist geschenkte Zeit,“ hat mal jemand gesagt. Hört sich ja nett an, aber wenn’s dann Realität wird, ist es das eine ganz andere Nummer. „Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul,“ heißt es andererseits… Ob an der Grenze oder später beim Bus-hopping auf der Strecke nach Kratie, heute durften wir fleißig üben, wie das mit der Gelassenheit funktioniert. Die unterschiedlichen Zeitangaben hätten uns schon nachdenklich machen können. Wir hatten gehört, für die Strecke von den 4.000 Mekong Islands nach Kratie müsse man mit etwa 3 bis 4 Stunden rechnen, unser Ticket Verkäufer hatte allerdings etwas von 6 bis 7 Stunden gesagt.
Es fängt auch gleich ganz gemütlich an. Die geplante Abfahrtszeit um Viertel vor Neun verschiebt sich um eine Viertelstunde, das Boot war noch nicht voll. Kein Problem, wir haben Zeit, der Bus soll ja erst um Zehn abfahren. An der Abholstelle hinter der Anlegestelle in Nakasong warten wir also noch einmal, bis um Viertel nach Zehn der kleine Minibus für 11 Passagiere bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Dann geht’s ratzfatz. Keine 10 Minuten später erreichen wir den laotischen Checkpoint an der Grenze. Dort fahren wir aber nicht direkt bis zur Grenzabfertigung, den Weg über den Parkplatz müssen wir zu Fuß zurücklegen. Kurzes Schlangestehen für den Ausreisestempel und dann… dieselbe Prozedur wie beim letzten Mal.
Die fünfhundert Meter durch das das breite Niemandsland zwischen den beiden Grenzstationen müssen mit dem ganzen Gepäck zu Fuß zurückgelegt werden. Wieder brennt die Sonne gnadenlos vom Himmel. Vor dem Betreten der kambodschanischen Grenzstation wird dann noch mit einem berührungslosen Infrarot-Thermometer die Körpertemperatur der verschwitzen Einreisewilligen gemessen. Alles in Ordnung. Weiter geht’s.
Ein Visa@Arrival ist hier, wie schon bei der Einreise nach Laos kein Problem, für Visum und die Stempelgebühr sind 42 Dollar fällig. Nach entsprechender Wartezeit sind alle Formulare ausgefüllt, und wir reihen uns in die Schlange für die Einreise ein. Mit dem Visum und dem Einreisestempel im Pass marschieren wir weiter, wieder hundert Meter über einen verwaisten großen Parkplatz bis zu einem kleinen Restaurant am anderen Ende, wo die Mini-Busse warten. Genau so war’s beim letzten Mal.
Ganz so schnell geht’s dann aber nicht weiter. Der zuständige Agenturangestellte bestätigt, dass es wieder keinen großen Bus für die Weiterfahrt gibt und verkündet mit breitem Grinsen, dass wir zwischendurch noch einmal Umsteigen müssen. Na dann. Nach einer Stunde Grenzformalitäten und einer weiteren beim Warten auf die Abfahrt des Minivans rumpeln wir um Viertel nach Zwölf schließlich los und rattern über eine Schotterpiste. Der National Highway 7 ist nur phasenweise asphaltiert.
Nach anderthalb Stunden erreichen wir eine große Brücke über den Mekong bei Stung Treng. Wir verlassen den Highway. Am Ortsende folgt der angekündigte Wagenwechsel. Es dauert nicht lange, dann kommt der nächste Minivan und es geht weiter.
Aber jetzt nur keine Hektik, es ist noch Platz im Wagen. Wir müssen noch zweimal anhalten, dann ist er endlich voll: Ich wurde auf die Rückbank verfrachtet, neben mir drängen sich mittlerweile drei weitere Erwachsene und ein kleines Mädchen.
Keine 2 Minuten später folgt der nächste Zwischenstopp. Wir fahren durch einer Hauseinfahrt, dort wartet eine Wagenwäsche. Der Minivan wird bei laufendem Motor mit einem Gartenschlauch gründlich abgespritzt. Unser Fahrer wäscht sich noch schnell die Füße, dann könnte es eigentlich weitergehen. Aber worauf wartet er noch? Eine Unterboden Wäsche? Heißwachsen? Polieren? Keine Ahnung. Wir warten. Unser Fahrer verschwindet noch einmal kurz hinterm Haus. Dann hat er auch dieses Geschäft erledigt. Endlich fahren wir vom Hof, das Rolltor fährt zur Seite, dann erneut ein kurzer Stopp. Ein weiterer Fahrgast steigt zu.
Und weiter geht’s. Wir ruckeln gemächlich durch die Stadt, Offensichtlich werden noch weitere Passagiere gesucht, theoretisch wäre noch Platz für zwei. Wer je an der Nachhaltigkeit dieser Art des Reisens gezweifelt hat, hier wird er eines Besseren belehrt: Gefahren wird nur mit voller Besetzung.. Ein Fahrer und zwei Mitfahrer, geht gar nicht. Also warten, ob sich noch ein Mitfahrer findet. Der kommt schließlich auch nach ein paar Minuten um die Ecke und darf Einsteigen. Jetzt ist nur noch der Platz auf dem Beifahrersitz frei, hinten ist auch der letzte Platz besetzt. Gegen Halb Drei geht’s dann endlich weiter und wir sind wieder auf dem National Highway 7 nach Kratie.
Das kleine Mädchen neben mir auf dem Schoß ihres Vaters hustet ganz fürchterlich, würgt, hustet und würgt. Bitte nicht Kotzen. Der junge Mann kann sein Töchterchen zum Glück beruhigen und setzt sich mit ihr auf den Boden zwischen den hinteren Sitzreihen, wo sich sonst die Rucksäcke und anderes Gepäck stapeln. Die Kleine schreit zwar noch ein wenig, beruhigt sich aber dann, als er sie behutsam in den Schlaf wiegt.
Mittlerweile ist es 15:00 Uhr. Noch 1 Stunde 15 Minuten bis Kratie, behauptet Google Maps. Wir halten noch einmal kurz an, um den fehlenden Passagier für den Beifahrersitz an Bord zu nehmen. Der Zugestiegene scheint beim Militär zu sein, soweit ich das von hier hinten aus beurteilen kann: Grünes Halstuch, ein Käppi in Tarnfarben und ockerfarbenes Hemd.
Die Straße ist jetzt besser asphaltiert. Unser Fahrer gibt Vollgas, überholt ab und an einen LKW, der vor uns auftaucht, brettert wild hupend an entgegenkommenden Mopeds und den Dörfern vorbei, die wir passieren. Er will wohl Zeit gutmachen Die Schätzung unseres Ticket Verkäufers könnte tatsächlich hinhauen. Der kennt seine Pappenheimer. Doch von einer Fahrt im klimatisierten Bus mit genügend Beinfreiheit keine Spur. Wieder hat sich eine gebuchte Busfahrt als unbequeme Fahrt in einem, beziehungsweise mehreren überfüllten Minivans entpuppt.
Von den vorderen Sitzreihen dringt Musik durch das Dröhnen des Motors: Uriah Heep? Genau erkennen kann man es nicht. Mango Bäume, Bananen-Plantagen, Kautschuk-Bäume und Teakanpflanzungen, abgeerntete Reisfelder und weitläufige Viehweiden, zwischendurch auch einmal eine Palmölplantage. Die Landschaft fliegt an den Fenstern vorbei. Noch 30 Minuten bis Kratie. Der Verkehr wird dichter, immer mehr LKWs kommen uns entgegen und einige Pkw. Das kleine Mädchen schläft selig in den Armen ihres Vaters
15:45 Uhr, kurzer Zwischenstopp. Der mutmaßliche Militär auf dem Beifahrersitz verlässt uns. Das Fahrzeug ist offensichtlich an seinem Ziel angekommen. Wir haben es nicht mehr weit: geschätzt noch eine viertel Stunde laut Google Maps. Am Straßenrand eine Wiegestation für LKWs. Die überholen wir jetzt in letzter Zeit gleich mehrfach. Laut Hupend werden wieder Moped Fahrer überholt. Von vorne plärrt jetzt wieder chinesische Popmusik nach hinten. Ansonsten wird es ruhiger, mein Sitznachbar hat sein lautstarkes Telefonat mit seiner Freundin beendet.
Kurz vor Vier erreichen wir die Stadtgrenze von Kratie. Die nächsten drei Passagiere steigen aus. Unser Fahrer hat auf den letzten Kilometern tatsächlich eine Viertelstunde Fahrzeit gut gemacht. Jetzt warten wir erst wieder einmal. Zumindest ein weiterer Mitfahrer findet sich, bevor es nach fünf Minuten weitergeht und wir zusammen mit ein paar Touristen am Nomad Guesthouse den Wagen verlassen. um erst einmal etwas zu Essen. Über dem Mekong versinkt glutrot die Sonne. Jetzt nur noch ins Hotel. Ein Tuk-Tuk ist schnell gefunden, der Fahrer saß am Nachbartisch. Mister Soda spricht ganz passabel Englisch und bietet uns an, am nächsten Morgen mit ihm zu den Delfinen zu fahren. Passt.
Unterkunft:
River Dolphin Hotel
Sangkat Orrussey
Kratie, Cambodia