„Durchatmen… langsam… tief und mühelos…“ Ein meditierender Maler hockt in einem parkähnlichen Durchgang zwischen der State Street und der „De La Guerra Plaza“ von Santa Barbara auf einem Fellfetzen. Beim letzten Atemzug zeichnet er mit einem Edding ein blaues Herz in die Mitte des postkartengroßen Bilds in seinen Händen. Dann unterbricht er kurz seine Übung und nimmt sich die Zeit, um mir das zentrale Anagramm seiner Meditation zu erläutern:
„Weißt Du, die ineinander verflochtenen Dreiecke auf dem Bild symbolisieren das Atmen. Und im Zentrum der Dreiecke ist das Herz verborgen. Du kannst es spüren, aber erst erkennen, wenn du es sichtbar machst. Nimm einfach die fünf mittleren Buchstaben des Worts BREATHE und ordne sie neu an: und aus REATH wird HEART“. Damit ist alles gesagt und Shawn atmet erneut tief durch… und malt weiter. Es fühlt sich gut an und ich bedanke mich bei ihm für diese kleine, unverhoffte Übung in Sachen Gelassenheit.
Ich gehe zurück zur „State Street“ . Sie liegt im historischen Stadtkern von Santa Barbara und lädt zum gemütlichen Strawanzen ein. Das Angebot an kleinen Shops und kleinen Kneipen ist vielfältig. Eine besondere Überraschung wartet im Wylde Works, das mit einem kleinen Wortspiel wirbt „Culture & Curious Drinks – The more hive, the more alive.“ Am Eingang der Bar steht ein Honky-Tonk-Klavier für die abendliche Live-Musik.
Die Fässer und die Zapfanlage hinten im Raum sehen verdächtig nach einer Mikro-Brauerei für Craft Beer aus. Doch was auf der Karte in verschiedenen Geschmacksrichtungen als „Honey Beer“ angepriesen wird, ist kein Bier. Es ist Met, der hier mit der Hefe aus Honig vergoren und zum Beispiel mit Lavendel, Ingwer, Orange und anderem fantasievoll fermentiert wird. Keine schlechte Idee, den germanischen Honigwein als Craft-Met neues, hippes Leben einzuhauchen.
Dass Aufpeppen mit duftenden Gewürzen beherrscht auch eine Schokoladen Manufaktur nach Maya-Art in der Nähe. Die heiße Schokolade wird hier klassisch ohne Milch zubereitet –schließlich kannten die Mayas keine Milch und mögen es gar nicht, die edle Kakaobohne damit zu verwässern. So hatten wir es bereits vor ein paar Jahren bei einer Reise durch Guatemala gelernt.
Auch der Besuch bei „Tondi Gelato“ ist eine erneute Begegnung mit Bekanntem. Wir hatten auf der Hinfahrt nach San Francisco schon einmal in Santa Barbara gehalten, um hier eine der leckeren, typisch italienischen Eissorten zu probieren. Damals vergeblich, die Hälfte war ausverkauft. Diesmal haben wir mehr Glück, heute ist alles verfügbar.
Übrigens: Eigentlich heißt der Eismacher James, wie er mit einem Augenzwinkern verrät. „Tondi ist mein Spitzname. Den hat mir meine italienische Mutter verpasst, um die Namenswahl meines amerikanischen Vaters abzumildern…“ Und mit diesem nicht ganz so biederen Namen verkauft sich „handgefertigtes“ Eis natürlich auch viel besser.
Einige Blocks entfernt, in der Santa Barbara Street entdecken wir das „Vera Cruz House“ des Architekten Jeff Shelton. Er bat zahlreiche Künstler, eine Szene ihres Lebens auf je ein Element der Außenfassade zu malen. Die bunten Panele erzählen unzählige Geschichten. Das Haus erinnert mich an Ray Bradburys Roman „Der illustrierte Mann“, in dem Tätowierungen 18 Kurzgeschichten erzählen.
Auch auf unseren Reisen begegnen uns immer wieder neue Geschichten. Man könnte auch sagen, bei einem Roadtrip wie diesem, liegen sie einfach auf der Straße. Man muss nur anhalten und zuhören…
Bevor es wieder auf den Highway 101 für die letzte längere Etappe dieses mehrwöchigen Roadtrips an der Westküste der USA geht, machen wir kurz Halt an der der „Mission Santa Barbara“, der historischen, spanischen Missionsstation der Franziskaner in der Nähe der Stadt. Die Fahrtzeit zum Hotel in Flughafennähe verlängert sich erwartungsgemäß um eine Stunde, da wir am späten Nachmittag bei der Fahrt quer durch Los Angeles in die unvermeidliche Rush Hour geraten.
Zur Belohnung gibt’s dann abends auch für den Fahrer ein wohlverdientes Craft Beer. Die Namen der Biere geben spiegeln einmal mehr die Qual der Wahl und erzählen auf ihre Art Geschichten von ihren Ursprüngen und Absichten: „Buenaveza Lager“, Seafarer Koelsch“, „Delirium Tremens“, „Hoppy Poppy“, „Mayberry“, „Salty Crew Blonde“ etc. pp.
Essen & Trinken:
Tondi Gelato
401 Paseo Nuevo
Santa Barbara, CA 93101
Unterkunft:
Hotel Pacific, Manhattan Beach
850 North Sepulveda Boulevard
Manhattan Beach, CA 90266, USA