Von dem touristisch schon sehr „geprägten“ Antigua machen wir uns auf den Weg zu den die weniger besuchten Orten im Hinterland. In Chichicastenango werden wir fündig, sogar mehr als wir gedacht haben. Aber der Reihe nach. Ein Uber-Fahrer – bequem über die App gebucht und 5 Minuten später bereit zur Abfahrt– bringt uns in knapp 2 Stunden dorthin. Die Gegend wird schnell bergiger, bald schlängelt sich die Straße in Serpentinen zu dem auf 2.000 Höhenmetern gelegenen Bergdorf. Auf dem letzten Drittel der Strecke glaubt man sich fast in den Alpen. Doch halt: die Pondorosa Ranch, Maisfelder zwischen hohen Kiefern und winkende Kinder am Straßenrand rücken das Bild schnell wieder zurecht.
Chichicastenango erschließt sich auf den zweiten Blick. Der erste Eindruck, vorsichtig ausgedrückt: spröde, man kann auch sagen ziemlich verbaut. Die Berge an Papierfetzen vom nächtlichen Feuerwerk tun ihr übriges. Dann die Ankunft im Quartier für heute. Hinter einem unscheinbaren Rolltor und zwei Treppen hinauf, erwartet uns eine wunderschöne Enklave mit einer reichlich bepflanzten Dachterrasse.
Wir unternehmen einen ersten Rundgang zu den zentralen Plätzen zwischen der Iglesia de Santo Thomás und der Capilla del Calvario. Noch geht es hier ruhig zu. Das wird sich morgen ändern. Donnertags und sonntags ist hier Markttag.
Die Kirche ist geschlossen, doch vor der Pforte der Kapelle feuert ein Mann kräftiges Räucherwerk an. Statt dem bei uns üblichen Weihrauch kommt Copal (Baumharz) zum Einsatz, für unsere Nasen nicht unbedingt wohlriechend, aber in der Qualm-Entwicklung ähnlich intensiv.
Der Blick ins Innere der Kapelle wird von einem Brett verwehrt, das macht uns neugierig. Der spärlich ausgestattete Kirchenraum wird von einer Jesus-Figur im Glassarg im Altarraum dominiert.
Es dauert nicht lange, bis der Räuchermeister mit zwei Einheimischen dort Position bezieht.
Die beiden knien nieder, nachdem sie dem Mann zwei Maiskolben, zwei Paprikaschoten, Wasser und einige Kerzen gegeben haben. Der Mann ist ein Schamane. Nachdem er die Gaben mit einem längeren, nur teils verständlich gemurmelten Gebet gesegnet hat, streicht er mit ihnen über die Köpfe der beiden Gläubigen.
Dann müssen noch weitere Kerzen her. Auf einer der drei Bodentafeln in der Mitte des Kirchenschiffs werden zweimal drei Kerzen entzündet. Ein erneutes Gebet, eine weitere Segnung und das schamanistische Ritual ist beendet.
Noch eine weitere Gruppe betritt den Altarraum und wäscht sich symbolisch mit Wasserflaschen Kopf und Hals. Der Küster der Kapelle beginnt derweil, das massive Holzportal zu schließen. Wir waren zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort…
Nachtrag Antigua: Nicht immer läuft alles so, wie man es vorher plant. Denn an Tagen wie dem Jahreswechsel planen auch wir unser Quartier länger im Voraus, um nicht unversehens im hintersten Eck in einem Stall für die Nacht zu landen. Soweit der Plan. Zwei Wochen vor Ankunft kommt dann plötzlich die Absage. Wegen Renovierungsarbeiten sei das Zimmer nun doch nicht verfügbar. Tatsächlich war es wohl eher der ursprünglich vereinbarte günstige Preis. Drei Nächte und das über Sylvester! Da muss doch mehr drin sein. Der Besitzer sah sich genötigt, uns zu kündigen und einem anderen Gast das Doppelte abzuknöpfen. Dumm gelaufen. Wir buchen also erneut mit Blick auf die zentrale Lage. Und übersehen die Ungereimtheiten bei den Bewertungen des nun ausgewählten Quartiers. Den negativen 1-2 Punkten eines ausländischen Gastes folgen prompt dreimal 10-Punkte voller Lob für Sauberkeit und Komfort von einheimischen „Gästen“. Das hebt den Schnitt. Tatsächlich ist das als Deluxe verkaufte Zimmer schlicht eine Katastrophe. Gerade Platz für ein Bett, eher eine fensterlose Besenkammer mit schwammigen Wänden, die mehr an ein lebendiges Gemälde von Jackson Pollock erinnern. Von der kalten Dusche, die mehr die Wand besprüht als nach unten tropft, ganz zu schweigen…
Der rettende Engel sitzt im Instituto Guatemalteco de Turismo (INGUAT) unweit des Zókalo. Marco Vinicio Kroell Hidalgo spricht sehr gut Englisch. Er ist gleich bereit, uns mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Denn diese Tourismusbehörde ist kein zahnloser Tiger, sondern hat ihre Möglichkeiten solche schwarzen Schafe in die Schranken zu weisen. Er besorgt uns für die nächsten zwei Nächte ein perfektes Ersatzquartier. Das Hotel Panchoy ist ebenfalls zentral gelegen, es zählt zu den 10 besten der Stadt. Es ist zwar doppelt so teuer, aber das rechnet sich schnell. Marco gelingt es, dem Besitzer der Bruchbude von letzter Nacht davon zu überzeugen, dass wir nichts für diese Horrornacht bezahlen müssen. Vor Ort macht er sich selbst ein Bild von der Misere und bringt uns sogar samt Gepäck in das neue Quartier. Danke!
Unterkunft:
Eduardo (AirBnB)
Chichicastenango, El Quiché 14006, Guatemala