Neue Zeit auf dünnem Eis

mm-2013-12-19--DSC_0008Mit dem shared Taxi geht es mittags zurück nach Mandalay. Der Toyota Carina scheint aus der ersten Serie dieser Baureihe zu stammen, glaubt man dem steten Jaulen der Kurbelwelle. Aber zumindest die Bremsen funktionieren tadellos. Auch wenn der Wagen reif für den Schrottplatz scheint, bringt er uns sicher zum Ziel. Nach dem Einchecken im Hotel wandern wir zur Mahamuni Pagode. Hier hatten wir vor zwei Jahren junge Mönche mit ihren Familien getroffen, der erste Teil der Zeremonie vor der Initiation für einen zeitlich begrenzten Aufenthalt im Kloster.

mm-2013-12-19--DSC_0092Am Abend besuche ich eine Vorstellung der Moustache Brothers. Das ursprüngliche Künstlertrio aus den zwei Brüdern Par Par Lay und Lu Maw sowie ihrem Cousin Lu Zaw ist seit dem 2. August nur noch ein Duo. Par Par Lay, „Moustache Brother Number One“ starb im August an Nierenkrebs. Eine Folge der zahlreichen Inhaftierungen, wie die Tochter seines Bruders berichtet. Die Truppe geriet wegen ihrer regimekritischen Sketche mehrfach ins Visier der Militärjunta. Jetzt dürfen sie zwar wieder auftreten, aber man hat einen perfideren Weg gefunden, um die ungeliebte Kritik auszutrocknen. Heute dürfen nur noch Ausländer die Vorstellungen besuchen. Wie dünn das Eis der neuen Zeit ist zeigt sich außerdem daran, dass Einheimische wie beispielsweise der Concierge unseres Hotels einfach behaupten, sie hätten genug andere und/oder bessere Comedians gesehen als die Moustache Brothers. In Wirklichkeit ist ihnen der Besuch strikt verboten. Und so ist es ein knappes Dutzend Touristen aus mehreren europäischen Ländern, das heute Abend vor der improvisierten Bühne im Erdgeschoss eines kleinen Hauses in der 39. Straße auf Plastikstühlen hockt.

mm-2013-12-19--DSC_0079Den Anfang des Programms bildet ein Rückblick auf die politischen Verfolgungen und Aufstände gegen das Regime. Ausführlich und mit Video-Einspielungen dankt Lu Maw den zahlreichen internationalen Unterstützern, wie z.B. Hugh Grant, Sylvester Stallone und Jennifer Aniston, die sich in der jüngeren Vergangenheit für die politisch Verfolgten Burmas engagiert hatten. Ihr Einsatz habe nicht zuletzt auch für die Freilassung seines Bruders gesorgt, auch wenn rund 100 unbekanntere politische Gefangene auch heute noch in Haft seien. Diese zu unterstützen sei einer der Gründe, warum die Moustache Brothers auch nach dem Tod eines der Brüder weiter auf der Bühne stehen und an die Vergangenheit erinnern.

mm-2013-12-19--DSC_0065Den Hauptanteil an der Show übernehmen weitere Familienmitglieder. Das Programm besteht nicht wie man meinen könnte aus einer durchgehenden Comedy-Performance. Lu Maw’s Frau, eine Schwester, die Enkeltochter und drei weitere Tänzerinnen präsentieren mit Unterstützung des Cousins klassische birmanische Tänze sowie einen der ethnischen Minderheit der Karen. Die Figuren der Nath-Geschichten kannte ich bereits als Marionettentheater. Der Ogre, der Affe oder der Minister werden lebendig, die hier gezeigten Bewegungen sind das Vorbild für das Spiel der Puppen. Man wäre nicht bei den Moustache Brothers, wenn dies nicht auch mit einem kleinen Augenzwinkern vermittelt wird und der Conférencier Lu Maw im wahrsten Sinne des Wortes die Fäden in der Hand behält, wenn seine Frau zu tanzen beginnt.

mm-2013-12-19--DSC_0083Zwischen den Darbietungen übernimmt er dann auch den Part der politisch nicht konformen Comedy, unterstützt von unzähligen Tafeln mit Namen und Begriffen. Die Verfolgung des Trios durch Geheimdienste könne jeden im Publikum treffen, droht er. Er hat gleich ein ganzes Arsenal mit Schildern parat, um den Deutschen eins mit der Aufschrift Stasi und BND, den anwesenden Finnen eins mit SUPO vor die Nase zu halten. Im Übrigen sei Burma ja nicht zuletzt dank der Drogen ein reiches Land. Armes Deutschland, die haben leider kein Opium. Aber dafür haben die ja Nivea.

mm-2013-12-19--DSC_0095Zum Schluss darf ein kleiner politischer Witz auf Kosten des eigenen Landes natürlich nicht fehlen: Er gehe ja immer zum Zahnarzt nach Thailand. Als dieser ihn einmal fragte, warum er zu ihm komme und nicht einen Kollegen in seiner Heimat aufsuche, habe er geantwortet: das ginge nicht so gut, daheim könne er den Mund nicht aufmachen. „Outside I am very brave“, ergänzt er mit einem schelmischen Grinsen.

Comedians:
Moustache Brothers
No. 23/1, 39th street, between 80th & 81th street, Maha Aung township, Mandalay, Myanmar

Unterkunft:
79 Living Hotel
79th street, Between 29th & 30th street, Chan Aye Thar Zan township, Mandalay, Myanmar

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