Die heute Tagestour führt in die Berge östlich von Kengtung. Das geht nur per Allrad und mit einer speziellen Genehmigung. Die Siedlungen der Loi Wa liegen in der autonomen Wa-Region. Vor der Abfahrt sammelt unser Guide Ah Beay unsere Pässe ein und besorgt das benötigte Permit. Dann geht es auf der Mong Lah Road nordöstlich in Richtung chinesischer Grenze.
Wie bereits am Vortag löst sich der Morgennebel kurz bevor wir die Talebene hinter Kengtung verlassen. Schon bald windet sich die asphaltierte Straße in zahlreichen Serpentinen bergauf und bergab. Hier haben die Motorsägen mal wieder ganze Arbeit geleistet. Von den ursprünglichen Teak-Wäldern ist nichts mehr übrig. An einigen Stellen hat man mit der Aufforstung begonnen. Auf großen Tafeln verkündet die zuständige Regierungsstelle stolz die Pflanzung von 50 Hektar Pinien im Januar 2013. Besser spät als nie.
Zwei Stunden nach Abfahrt erreichen wir den am Nam Lwe Fluss gelegenen Checkpoint zur Wa-Region. An Beay verschwindet kurz in der Zollbaracke und weiter geht’s. Hinter uns überqueren noch drei weitere Minivans die Grenze. Die weißen Gewänder kommen uns bekannt vor. Vor zwei Jahren war uns am Golden Rock eine ähnlich gekleidete Gruppe buddhistischer Pilger aus Thailand begegnet.
Die Straße wird schlechter, kurze asphaltierte Abschnitte wechseln mit holprigen Schotterpisten. Auch die Maßnahmen zur Aufforstung sind andere. Inmitten der abgeholzten Hügel erstreckt sich eine riesige Bananen-Plantage. Für den Export nach China, wie uns unser Guide erklärt.
Zwanzig Minuten hinter dem Grenzposten, etwa auf halber Strecke zwischen Kengtung und Mongla, zweigt ein lehmiger Feldweg von der ausgebauten Strecke ab. Zu den alten Klöstern weiter westlich geht es nur zu Fuß oder per Allrad. Unser Fahrzeug ist entsprechend ausgerüstet und kämpft sich tapfer bergauf. Bereits eine Viertelstunde später erreichen wir die Wan Nyat Monastry.
Das Kloster wurde im 16. Jhdt. erbaut und liegt auf einer Lichtung im Bergwald. Mit den Teak-Klöstern, die wir auf der Fahrt nach Bagan besucht haben, hat es wenig gemein. Die Bauweise erinnert mal an die nord-laotische, mal an die tibetische Architektur vergleichbarer Gebäude. Die reichhaltig mit Schnitzereien, Holzmalereien und Mosaiken versehene Ausstattung im Inneren ist ebenfalls ungewöhnlich.
Mit der Ruhe im Tempel ist allerdings schnell Schluss. Kurz nach uns haben es die thailändischen Pilger mit ihren allradgetriebenen Mini-Bussen ebenfalls zum Kloster geschafft. Nach einem kurzen Gebet vor dem großen Buddha übergeben sie dem Abt des Klosters feierlich Decken und einen dicken Geldumschlag. Der alte Mönch bedankt sich bei den großzügigen Spendern und erteilt murmelnd seinen Segen. Dem können und wollen auch wir uns nicht entziehen. Für uns hat er aber eine kleine Erweiterung der Segensformel parat. Sein Gebet endet mit den auch für uns verständlichen Worten „I love you. Goodbye.“
Nach weiteren dreißig Minuten Fahrzeit erreichen wir die 700 Jahre alte Wan Seng Monastry. Nicht nur die Anlage an sich, auch das Innere des Tempels ist unglaublich beeindruckend. Kunstvolle Schnitzereien und eine Vielzahl an sakralen Gegenständen füllen den Innenraum.
Auf dem Boden haben die weißgewandeten Pilger bereits Stellung bezogen. Dieses Mal sollen die jungen Novizen reich beschenkt werden. In zwei Reihen sitzen sich die jungen Mönche und die Spender aus dem Nachbarland gegenüber. Die Leiterin der Gruppe zückt die Videokamera und auf Kommando werden synchron die Geschenke überreicht, unter anderem Wollmützen und Plastik-Clogs. Letztere ein paar Nummern größer als nötig, zum Reinwachsen geeignet. Auch für das leibliche Wohl ist gedacht. Aus einer großen Kühlbox werden Beutelchen mit einer scharfen, mit viel Zitronengras gewürzten Wurst und scharfe Chilisoße sowie in Bananenblättern gegarter Klebreis verteilt. Richtig geraten: wir dürfen uns diesem gemeinsamen Essen natürlich ebenfalls nicht entziehen.
Unterhalb der Klosteranlage befindet sich das Dorf Wan Seng. Hier wohnen in sieben Langhäusern mit je zwölf Familien rund 700 Loi Wa. So etwas wie Privatsphäre gibt es nicht in den hallenartigen Gebäuden. Zwischenwände sucht man vergeblich. Auf den Holzplanken zwischen den Feuerstellen liegen einfache Strohmatten, an den Außenwänden stapeln sich Reissäcke. Neben dem Sammeln von Feuerholz und der Jagd mit langen Flinten verdienen sie sich mit dem Anbau von Tee ein wenig Geld für den zusätzlichen Lebensbedarf.
Die Zubereitung des Grüntees erfolgt auf eine ganz besondere Art. Während das Wasser mit einem Kessel über dem offenen Feuer erhitzt wird, werden die Teeblätter auf einer kleinen Pfanne zwischen Kanne und Feuer geröstet. Zu dem leicht rauchig schmeckenden Tee gibt es gekochte Wasserbrotknollen (Taro).
Wir revanchieren uns bei den Kindern mit Süßigkeiten. Für die mitgebrachten Hefte und Stifte haben sie keine Verwendung. Noch gibt es keine Schule in diesem Dorf. Ein entsprechendes Gebäude steht zwar schon, aber ein Lehrer fehlt, der die Herausforderung annimmt.
Auf dem Rückweg halten wir erneut vor der Wan Nyat Monastry. Auch unterhalb dieses Klosters befindet sich ein kleines Dorf der Loi Wa. Die vier Langhäuser sind kleiner und bieten nur Platz für jeweils sechs Familien. Die Dächer sind nicht wie im Nachbarort mit Wellblech, sondern traditionell mit Gras gedeckt. Lediglich ein Neubau hat ein Metalldach, das aber schon bald unter einer Schicht Grasbündel verschwinden wird.
Der Rohstoff wird von den Frauen weiter bergab in der benötigten Länge geschnitten und in großen Taschen auf dem Rücken zum Dorf transportiert. Wir begegnen den Trägerinnen auf unserem Weg zurück zur Hauptstraße, während uns die Männer mit ihren geschulterten Langbüchsen auf Mopeds entgegen kommen.
Unterkunft:
Golden World Hotel
26 Zay Dan Loang, Kyaing Tong
Guide:
Mr. Ah Beay (Aung Thura Hein)