Früh morgens fahren wir in die Kleinstadt Tonbo (Hton Bo), 70 Kilometer südlich von Pyay am gegenüberliegenden Ufer des Irrawaddy. Hier herrscht bereits am späten Vormittag Hochbetrieb. Der Jetty ist Ausgangspunkt für die Bootsfahrt zu den Felsenreliefs von Akauk Taung, die man großenteils nur vom Fluss aus sehen kann. Bei den Einheimischen erfreuen sie sich offensichtlich immer größerer Beliebtheit. Die meisten Autos haben Kennzeichen aus Yangon, wenige kommen aus der Region Bago. Kyaw berichtet uns, vor drei Jahren hätten drei Boote für den Transport ausgereicht. Diese fuhren nur unregelmäßig. Wir bekommen Boot Nummer 31 zugeteilt, nachdem wir es für 15.000 Kyat (ca. 11 Euro) gechartert haben. Gerade werden die Passagiere von Boot 22 aufgerufen. Keine 10 Minuten später sind auch wir an Bord, dürfen klassisch über eine schmale Hühnerleiter in die Nussschale balancieren.
Die Fahrt auf dem Irrawaddy dauert nur wenige Minuten. Schon tauchen die ersten stehenden, sitzenden und liegenden Buddhas in 10 bis 30 Meter Höhe in den Felswänden des Ostufers auf. Kurze Zeit später macht das Boot an einem kleinen Jetty unterhalb der Felsen fest. Eine lange Treppe führt nach oben. Dort befindet sich die Akauk Taung Pagode, die auch über Land erreicht werden kann. Direkt unterhalb der Stupa, auf dem Weg hinunter zum Fluss, sind ebenfalls einige Felsenreliefs mit verschiedenen Darstellungen Buddhas zu finden.
Jetzt klärt sich auch, was es mit den Blumensträußen auf sich hat, die bereits am Strand von Tonbo von geschäftstüchtigen Händlerinnen verkauft werden. Die Bündel bestehen aus Kirschmyrtenzweigen, Bambus- und Räucherstäbchen. Der Bambus soll den Strauß aber nicht schwimmfähig machen, wie zunächst vermutet. Bei der Überfahrt wird er nicht etwa ins Wasser vor den Buddhas geworfen. Die dreierlei Opfergaben dienen drei verschiedenen Zwecken. Räucherstäbchen und Blumen werden wie anderswo auch dem Buddha in der Pagode geopfert; die Bambusstäbchen dagegen unterhalb der Felsenreliefs zwischen die Steine gespreizt. Eine symbolische Stütze der überhängenden Felsen.
Der Name Akauk Taung gibt einen Hinweis auf die Entstehung der Reliefs. Er bedeutet sinngemäß: Warten auf die Steuerbeamten. In früherer Zeit befand sich hier eine Zollstation, an der die Boote halt machen mussten, um ihre Waren zu verzollen. Die Wartezeit wurde offensichtlich kreativ genutzt, indem sie die Buddhas in den Felsen modelliert haben.
In der Kleinstadt Oke Shit Pin an der Hauptstraße in Richtung Pyay herrscht ebenfalls Hochbetrieb. Ein Pagodenfestival ist es diesmal nicht, dass die Menschenmassen heute in den Ort lockt. Einmal im Jahr, immer am 26. Dezember, wird Nate Ban Zay (Nirvana Markt) gefeiert, der Tag der Essensspende. Die Großzügigkeit der Geber wird ihnen mit Verdiensten im Nirvana gedankt. Viele Bewohner kochen spezielle Gerichte und laden ihre Mitbürger zum Essen ein. Ob arm oder reich, jeder bekommt umsonst und so viel er will. Wer nicht kochen kann oder will, aber trotzdem seine Wohltätigkeit beweisen will, wirft das Geld vom Balkon in die Menge – wie der Juwelier des Ortes gerade in dem Moment, als wir an seinem Laden vorbeifahren.
Auf der Hauptstraße kommen wir nur im Schritttempo voran. Kyaw erläutert uns, welches Gericht auf welchen Tellern liegt. Es gibt Mohinga (Fischsuppe), diverse Currys und Nudelsuppen mit unterschiedlichen Fleischeinlagen. Selbst Nachspeisen sind im kostenlosen Angebot: Tapiokagelee, süße Sago-Suppe mit Kokos und sogar Eis.
Am Ortsrand hat uns das Zuschauen und Kyaws Beschreibungen endgültig hungrig gemacht. Kaum halten wir vor einer Hütte, kommt der Besitzers eines Steinbruchs auch schon zum Wagen und bittet uns wortreich zu Tisch. Zusammen mit fünf seiner Mitarbeiter hat er einen riesigen Kessel Nudelsuppe mit Huhn gestiftet. Ehe wir uns versehen, bekommen aus einem Eimer mit einer großen Kelle Suppe auf die Teller. Klebreis mit Sesam und Erbsen gibt es im Beutel dazu. Zitrone, Chili und Koriander werden in Extraschälchen auf den runden Tisch gestellt. Die Nudelsuppe schmeckt fantastisch! Kein Wunder: Kyaw erzählt uns später, der Spender habe für die über 100 Liter der gehaltvollen Köstlichkeit 300.000 Kyat (ca. 220 Euro) investiert.
Wir sind mal wieder die Exoten und werden schnell zum Fotomotiv für die anderen Gäste. Ausländer verirren sich nur selten in diese Stadt. Die wenigen, die hier auf dem Weg nach Ngapali-Beach vorbeikommen, rauschen ohne Stopp im Überlandbus durch den Ort.
Wir fahren zurück nach Pyay und überqueren den Fluss in Richtung Stadt. Noch einmal geht es in Richtung Süden, diesmal am anderen Flussufer entlang. Die Kleinstadt Shwedaung liegt 15 Kilometer entfernt. Hier steht die Shwemyetman Pagode. Sie ist berühmt für einen einzigartigen sitzenden Buddha. Seit dem 19. Jahrhundert trägt er eine goldene Brille. Die ursprüngliche wurde zwar gestohlen, ein Ersatz aber noch während der Kolonialzeit von einem britischen Offizier gespendet. Dessen Frau litt an einem Augenleiden, das nach der großzügigen Spende auf wundersame Weise geheilt war…